Haben wir ein Luxusproblem in Traunreut?
Beim Stammtisch des SPD Ortsvereins Traunreut stand das Thema bezahlbare Wohnungen an vorderster Stelle. Christian Stoib fasste die bisherigen Erkenntnisse für die Beteiligten zusammen.
Bereits vor Jahren hat die Stadtratsfraktion der SPD einen Antrag eingebracht, das Angebot der Regierung zum Wohnungspakt Bayern zu nutzen und Wohnungen für Klein- und Mittelverdiener zu schaffen. Die sog. Säule II ermöglicht es der Kommune, auf eigenem Grund Wohngebäude zu errichten und einen Zuschuss von 30 % zu erhalten. Der Zuschuss wäre eine solide Basis für die Errechnung einer erschwinglichen Miete.
Sollte die Stadt nicht selbst bauen wollen, könnte dies die Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises übernehmen, die bereits mehrere Objekte erstellt hat und über die nötige Erfahrung verfügt, merkte Gerti Winkels an. Die Belegung der Wohnungen wäre auf jeden Fall bei der Stadt gelegen.
Leider fand der Antrag damals im Stadtrat keine Mehrheit. Vielmehr wurde die Errichtung von Wohnungen mit gehobener Ausstattung und entsprechendem Mietpreis favorisiert. Hierzu wurde auf private Investoren gesetzt, die man irgendwie verpflichten wollte, eine niedrige Miete anzusetzen. Ob das tatsächlich auch gelang oder in Zukunft gelingt, darf bezweifelt werden, so Stoib weiter. Mittlerweile hat sich zudem die Wohnsituation in der Stadt weiter verschlechtert, trotz aller Planungen der Stadt mit den anschließenden Verzögerungen aus quasi allen Richtungen.
Seitdem fand ein Umdenken statt und die Notwendigkeit für zusätzlichen Wohnraum ist endlich auch zum Thema geworden. Finanzstarke Investoren drängen nun vermehrt auf den Wohnungsmarkt und bieten an, Wohnraum zu schaffen. Der Glaube nach bezahlbarem Wohnraum darf angesichts der grundsätzlichen Ausrichtung eines Finanzunternehmens sehr wohl angezweifelt werden. Es muss aber dennoch positiv angemerkt werden, dass die Möglichkeit geprüft wird, „im Munapark“ mehr Wohnraum zu schaffen. Dem Vorschlag, den „Aldi-Markt“ aufzustocken und Wohnungen zu errichten, stand der Konzern anfangs ablehnend gegenüber, ist aber inzwischen nicht mehr grundsätzlich abgeneigt. Im Baugebiet „Stocket“ sind mehrgeschossige Wohngebäude geplant. Hier stellt sich die SPD im Stadtrat vor, die Angebote aus der Säule II des staatlichen Förderprogramms anzuwenden. Bei den bisherigen Grundstücken der Stadt im Stadtgebiet wurde das bisher abgelehnt mit dem Hinweis, dass der Markt das schon regeln wird. Und immer wieder kommt die Frage auf, warum die 30% Fördergelder beim Neubau nicht verwendet wurden, um gehobene Wohnungen zu errichten und die Mieten mit Hilfe des staatlichen Zuschusses auf ein bezahlbares Niveau zu halten.
Die Mietbelastung, also die Kosten die ein Haushalt monatlich für die Miete ausgibt liegt bayernweit bei 19 – 21 %, in Traunreut bei 26 % vom Einkommen, so Stoib. Hinzu kommt ein niedriger Leerstand, das heißt alle Wohnungen am Markt sind belegt. Eine Konkurrenz unter den Vermietern kann also nicht stattfinden. Die Wohnungsbauaktivitäten sind in den letzten Jahren vielleicht nicht zum Erliegen gekommen, hinken aber deutlich hinter dem Bedarf hinterher. Das hat auch Herr Tekles in seiner Sozialraumanalyse bereits 2018 festgestellt. In einem anderen Gutachten zur Identifizierung von Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten in Bayern, beauftragt vom bayerischen Staatministerium, ist Traunreut in drei von fünf Bewertungskriterien als Gebiet mit einem unzureichenden Wohnungsmarkt aufgeführt. Das wurde zwar nicht komplett ignoriert, aber viele Hinweise und Anregungen wurden marktgetrieben im Stadtrat kleingeredet. Die festgestellten Defizite in der Wohnungsbaupolitik lassen einen Mietspiegel zu, so Toni Litzinger jun., das ist aber in der Vergangenheit nicht thematisiert worden. Die Mieten richten sich nach dem Bedarf und nach dem Angebot in der Stadt. Großer Bedarf und wenig Angebote führen zu dieser Situation.
Die Wohnungssituation wird quer durch alle Parteien Thema für die Bundestagswahl sein. Litzinger bringt in die Diskussion, die Wahl auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Die Corona-Einschränkungen, die sicher nicht zeitnah aufgehoben werden können, erlauben keinen Wahlkampf mit Präsenz, schränken ihn zumindest massiv ein. Laut Artikel 39 Absatz 1 GG muss die nächste Bundestagswahl 46 bis 48 Monate nach dem Beginn der aktuellen Wahlperiode stattfinden. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages führt aus, dass die Bundestagswahl nur innerhalb eines schmalen Zeitfensters verschoben werden kann, so Litzinger. Wenn der Termin bereits feststeht, gelten aber sehr hohe Hürden. Eine Pandemie wie wir sie derzeit erleben, wäre für eine Verlegung des Termins durchaus denkbar.